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Sibir von Sabrina Janesch


English version below

1945. Der zehnjährige Josef Ambacher und seine Familie steigen in einen Zug und treten die Reise in eine ungewisse Zukunft an. Nur ein Wort hat Josef aufgeschnappt und das scheint allen Erwachsenen große Angst einzujagen: Sibirien. Die Ambachers und tausende andere deutsche Zivilisten werden nach dem Krieg von der sowjetischen Armee nach Kasachstan geschickt. Nach wochenlanger eise werden sie plötzlich aufgefordert den Zug zu verlassen und finden sich in Mitten der sibirschen Steppe. Um sie herum nichts als Schnee. Halb verhungert und erfroren, verängstigt und desorientiert macht die Familie sich langsam auf die Suche nach einem Unterschlupf, nach Menschen, die ihnen helfen können.


Die Ambachers lernen langsam sich in dieser neuen, kalten und sonderbaren Welt zurecht zu finden. Sie lernen, kein Deutsch zu sprechen, sondern auf russische zu kommunizieren. Sie lernen, von wenig Nahrung zu leben und hart zu arbeiten. Josef lernt auch, was es bedeutet ein Außenseiter zu sein, jemand, dem keiner in der Schule vertraut. Keiner außer seinem Freund Tachawi der ihm Hilft, sein neues Leben zu verstehen und von einer wärmeren Zukunft zu träumen.


1990. Leila Ambacher fühlt sich wohl in ihrer Schule in Mühlheide. Mit ihrem besten Freund Arnold macht sie sich die Nachbarschaft zu eigen, die von Familien bewohnt ist, die vor einigen Jahrzehnten aus Sibirien zurückgekehrt sind. Als nach dem Zusammenbruch der Sowjetunion eine neue Gruppe Aussiedler in der Kleinstadt ankommt, muss sie helfen zwischen den Einwohnern und den Neuankömmlingen zu vermitteln und für ihren Vater Josef sorgen, der sich mit seiner Vergangenheit konfrontiert sieht.


Das Resultat ist ein größtenteils hin- und mitreißender Roman, der die Geschichten zweier Kindheiten erzählt, die unterschiedlicher kaum sein könnten und trotzdem von den gleichen Ängsten und Sehnsüchten geprägt sind. Janesch webt die Erzählebenen gekonnt zusammen, die Geschichte fließt von Josef zu Leila und wieder zurück. Leider kommt einem Leilas Kindheit verglichen mit der ihres Vaters etwas blass vor. Die emotionalen Tiefen werden in Sibirien erreicht und dort sehnt sich der Leser hin zurück, wenn er sich in Mühlheide wiederfindet. Die oftmals verzweifelte doch nie aufgegebene Suche nach einem Gefühl von Heimat wird überzeugend geschildert, auch wenn wir teilweise nicht nah genug an die Protagonisten herantreten dürfen, um sie und ihre Gefühlswelten wirklich kennenzulernen. Was Sibir insgesamt auszeichnet ist nicht nur, dass dieser Roman in leuchtenden Farben geschrieben ist, sondern auch, dass er ein relatives unbekanntes Kapitel der deutsch-russischen Geschichte auf einfühlsame Art hervorhebt.



 


In 1945, ten-year-old Josef Ambacher and his family board a train and begin their journey into an uncertain future. Josef has only picked up one word, and it seems to frighten the adults around him: Siberia. The Ambachers and thousands of other German civilians are sent to Kazakhstan by the Soviet army after the war. After weeks of travel, they are suddenly ordered to leave the train and find themselves in the middle of nowhere. Around them nothing but snow. Half starved and frozen, frightened and disoriented, the family slowly sets out to find shelter, people who can help them. The Ambachers slowly learn to find their way in this new, cold and strange world. They learn not to speak German, but to communicate in Russian. They learn to live on little food and work hard. Josef also learns what it means to be an outsider, someone no one at school trusts. No one except his friend Tachawi who helps him understand his new life and dream of a warmer future.


1990. Leila Ambacher feels at home at her school in Mühlheide. With her best friend Arnold, she makes the neighborhood her own, inhabited by families who returned from Siberia several decades ago. When a new group of repatriates arrives in the small town after the collapse of the Soviet Union, she must help mediate between the residents and the newcomers and care for her father Josef, who is confronted with his past.


The result is a largely entrancing novel that tells the stories of two childhoods that could hardly be more different and yet are marked by the same fears and longings. Janesch skillfully weaves the narrative planes together, the story flowing from Josef to Leila and back again. Unfortunately, Leila's childhood feels a bit pale compared to that of her father. The emotional depths are reached in Siberia and that is where the reader longs to go back to when he finds himself in Mühlheide. The often desperate but never abandoned search for a sense of home is convincingly portrayed, even if we are sometimes not allowed to get close enough to the protagonists to really get to know them and their emotional worlds. What makes Sibir stand out overall is not only that this novel is written in bright colors, but also that it highlights a relatively unknown chapter of German-Russian history in a sensitive way.



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