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Echtzeitalter von Tonio Schachinger


English version below

Till Kokorda ist fehl am Platz. Das elitäre, private Halbinternat, das er besucht, ist voll von Kinder, die mehr haben als er und mehr wollen als er. Am Marianum ist Status wichtig, doch alles was Till sich wünscht, ist nicht aufzufallen. Leider kann er sich nicht unsichtbar machen, wenn sein Klassenlehrer – der despotische Dolinar – ihn vor der Klasse vorführt. Trotz aller Mühe, kann er sich nicht vor Strafarbeiten und Hänseleien der Mitschüler verstecken. Doch zum Glück hat er einen Zuflcuhtsort: wenn er von der Schule nachhause kommt, setzt er sich an den Computer und spielt Age of Empires. Während er dem literarischen Kanon, durch den er sich in der Schule quälen muss, nichts abgewinnen kann, flüchtet er sich gerne in diese fiktive Welt, in der er seine Fähigkeiten auf andere Art unter Beweis stellt. Till und seine Klassenkameraden werden älter und stoßen auf all die üblichen Schwierigkeiten, die sich einem in der Pubertät in den Weg stellen. Von unerwiderter Verliebtheit, über Streits mit den konservativen Eltern, zu Problemen mit Schulnoten – all das und mehr muss Till durchstehen und entwickelt sich gleichzeitig zu einem Profi Gamer. In der Schule wenig beachtet, wird er online zu einer kleinen Berühmtheit. Als einer der Top-10 Spieler auf der Welt reist er schließlich sogar nach China, um dort an Turnieren teilzunehmen und andere Gamer kennenzulernen. Und doch wird er weiter vom Dolinar gepiesackt – von einem Lehrer, der nur Reclam Ausgaben der Schullektüre akzeptiert, kann man vermutlich kein Verständnis für Computerspiele erwarten – und muss sich durch die täglichen Leiden eines jungen Mannes kämpfen. Was sein Leben erleichtert ist die Freundschaft mit zwei Mädchen aus der Parallelklasse, die er mit sechzehn überraschend schließt. Fina und Feli sind selbstbewusst und stark, lassen sich von niemandem etwas sagen, verkünden aber gerne ihre eigene Meinung, und schließen den zurückhaltenden aber loyalen Till schnell ins Herz. Mit den Beiden an seiner Seite, lernt Till langsam auch für sich selbst einzustehen und bildet endlich seine eigenen Meinungen über das Marianum, Wien und das Leben. Das schließlich, in seinem Abschluss Jahr 2020, doch ganz anders kommt als geplant.


Echtzeitalter ist ein klassischer Bildungsroman. Wir begleiten Till über mehrere Jahre hinweg und sehen zu, wie er und seine Klassenkameraden heranwachsen. Doch Tonio Schachinger beschäftig sich auch mit der österreichischen Gesellschaft außerhalb des Marianums. Immer wieder zeigt er, wie verschiedene Charaktere in unterschiedlichen Lebenslagen auf autoritäres Verhalten und unfaire Strukturen reagieren. Wer kämpft dagegen an, wer fügt sich und wer strebt danach selbst Macht über andere ausüben zu können? Während Till älter wird, sehen wir auch wie sich Österreich verändert. Von Kurz über Ibiza zu Corona und Nationalismus, Wien und seine Einwohner werden kritisch beobachtet, insbesondere als die politischen Geschehnisse immer mehr in das Bewusstsein der Jugendlichen drängen. Schachingers Gedanken über elitäre und exklusive Institutionen wie das Internat und seine Kritik an den Leuten, die aus solchen hervorgehen sind ebenso interessant und aufschlussreich, wie sein einfühlsamer Umgang mit den pubertären Protagonisten. Leider lenkt seine Erzählweise oft davon ab. Vielleicht ist es eine bewusste Entscheidung gewesen ein Buch zu schreiben, durch das sich der Leser ebenso kämpfen muss, wie Till durch die zähen Jahre seiner Schulzeit. Doch das ist wohl nicht die beste Strategie, seine Leser zu fesseln. Etwa die ersten fünfzig Seiten haben mir großen Spaß gemacht. Schachingers Humor ist frech und erfrischend, seine Sätze gut lesbar und oft elegant. Leider habe ich vergebens darauf gewartet wirklich in die Geschichte hingezogen zu werden. Die distanzierte Erzählweise und die Zeitsprünge, machen es schwer mit Till zu fühlen. Wir sehen, was er erlebt, lernen aber nur wenig über seine Gedanken und Empfindungen. Gleichzeitig wiederholen sich gewisse Szenen immer und immer wieder, bis es langweilig wird. Die kleinen Grausamkeiten des Dolinars sind zu Beginn noch erschreckend, dann kurz lustig und schließlich nur noch repetitiv. Ein ordentlicher Teil des Romans hätte einfach gestrichen werden können. Aber dennoch bin ich froh nicht aufgegeben zu haben – und ich war sehr versucht es zu tun. Die letzten Kapitel haben mich wieder überzeugt. Plötzlich hat Till das schlimmste überstanden, er ist relativ unbeschädigt groß geworden, fühlt sich sicherer in sich selbst und wie sein Leben wird auch die Erzählung wieder von einer Leichtigkeit ergriffen, die vorher verloren war. Wenn man als Leser für so etwas Geduld hat, ist Echtzeitalter ein intimer und empathischer Blick darauf, was es bedeutet im digitalen Zeitalter erwachsen zu werden. Doch wer Langeweile in Büchern nicht gut ertragen kann, sollte diese Lektüre lieber auslassen.


 

Till Kokorda doesn’t fit in. The elitist school he attends is full of kids who have more than he has and want more than he wants. Status is important at the Marianum, but all that Till wishes for is not to be noticed. Unfortunately, he cannot turn invisible when his teacher - the despotic Dolinar - parades him in front of the class. Despite his best efforts, he cannot hide from detention and his classmates‘ teasing. But luckily he has a place of refuge: when he comes home from school he sits at the computer and plays Age of Empires. While he dislikes the literary canon he has to struggle through in school, he likes to escape into this fictional world where he can prove his skills in other ways. As Till and his classmates grow older, they encounter all the usual difficulties that come with puberty. From unrequited infatuation to arguments with conservative parents, to problems with school grades - Till has to endure all this and more and at the same time develops into a professional gamer. What is barely noticed at school: he becomes a minor celebrity online. As one of the top 10 players in the world, he even travels to China to take part in tournaments. And yet he continues to be harassed by the Dolinar - one should probably not expect an understanding of computer games from a teacher who only accepts Reclam editions of his assigned readings - and has to struggle through the daily suffering of a young man. Two girls in his class became his friends at sixteen, making his life easier. Fina and Feli are confident and strong, they don't let anyone tell them what to do, but like to proclaim their own opinions. The girls quickly warm to the reserved but loyal Till. With the two at his side, Till slowly learns to stand up for himself and finally forms his own views about the Marianum, Vienna and life.


Echtzeitalter is a Bildungsroman through and through. We accompany Till for several years and watch him and his classmates grow up. But Tonio Schachinger also deals with the wider Austrian society. Again and again, he shows how characters react to authoritarian behaviour and unfair institutions. Who fights against it, who submits and who strives to exercise power over others? As Till grows older, we also see Austria changing. From Chancellor Kurz to Ibiza to Corona and nationalism, Vienna and its residents are being watched critically. And our young protagonists become increasingly aware of political events. Schachinger's thoughts on elitist and exclusive institutions such as the boarding school and his criticism of the people who emerge from them are just as interesting and revealing as his sensitive handling of the adolescent characters.


Unfortunately, his narrative style often distracts from that. Perhaps it was a conscious decision to write a book through which the reader struggles as much as Till does throug school. But that's probably not the best strategy for captivating your readers. I really enjoyed the first fifty pages. Schachinger's humour is cheeky and refreshing, his sentences easy to read and often elegant. Disappointingly, I waited in vain to be drawn into the story. The distanced narration and time jumps make it difficult to empathize with Till. We see what he is experiencing, but learn little about his thoughts and feelings. At the same time, certain scenes repeat themselves over and over again until it gets boring. The little atrocities Mr Dolinar commits are shocking at the beginning, then funny for a short time and finally merely repetitive. A decent chunk of the novel could have been cut out. But still, I'm glad I didn't give up on this novel - and I was very tempted to do so. The last few chapters got me hooked again. Suddenly Till has survived the worst, he has grown up (relatively) unscathed, feels more secure in himself and, like his life, the story is again seized by a lightness that was previously lost. If the reader is patient, Echtzeitalter is an intimate and empathetic look at what it means to grow up in the digital age. But you should probably skip this one if you can't stand boredom in books.

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